Jahresumsatz
CHF 1.057,2 Mio. (2018)
16 Produktionsstandorte
10 Länder
5.150 MitarbeiterInnen
Finanzstatus
Kontenverwaltung
Liquiditätsplanung
Avale
Derivate
Reval Integration
SAP
Automatisiertes Währungs-Management in Zeiten von IFRS 9: In einer gemeinsamen Neuentwicklung haben der Textilmaschinenkonzern Rieter und der Berichtsspezialist TIPCO ein Tool geschaffen, das sowohl die FX-Hedging-Strategie abbildet als auch Sicherungsvorschläge erstellt. Zudem liefert das Tool auch noch das Reporting für Hedge Accounting gemäß IFRS 9 mit.
Finanzielles Risiko-Management zählt für die meisten Treasurer zu einem der spannendsten Tätigkeitsfelder. Allerdings: Bevor sie Überlegungen anstellen können, welche Hedge-Ratio zum Risikoappetit des Unternehmens passt und welche Derivate sich zur Erreichung dieser Ratio eignen, muss die Strategie der finanziellen Führung definiert, die Risikotragfähigkeit bekannt und ein klares Bild Ihrer Risikoposition vorhanden sein.
Für letzteres wird es für viele Treasurer schwierig, da sie zumeist auf Daten aus verschiedenen Quellen angewiesen sind, die es effizient zu sammeln und auf der Basis von bestimmten Logiken zu verarbeiten gilt. Bei Rieter hatte man diese Herausforderung im Grunde gemeistert und ein Excel-Tool im Einsatz, mit dem sich die IFRS-9 Berichtsanforderungen strukturiert aufbereiten ließen – allerdings erwies sich der damit verbundene manuelle Aufwand als so hoch, dass nur für wenige Großprojekte ein IFRS-Hedge-Accounting dargestellt werden konnte.
Das vertrug sich nicht mit einem der deklarierten Ziele im Währungs-Management, dem Schutz der operativen Marge und der Ergebnisvolatilität. Die Motivation war also groß, den Hedging-Prozess samt Hedge-Accounting weiter zu automatisieren.
Zur Vorgeschichte: Im Jahr 2011 wurde der Rieter-Konzern in die beiden Geschäftsbereiche Textile Systems und Automotive aufgeteilt und als unabhängige, separat börsenkotierte Gesellschaften (Rieter und Autoneum) weitergeführt. Aufgrund der veränderten Situation wurde im Jahr 2015 die bestehende Absicherungsstrategie dahingehend überprüft, ob diese noch dem aktuellen Geschäftsmodell und der finanziellen Zielführung entspricht. Die Analyse ergab, dass einige Anpassungen im Fremdwährungs-Management nötig waren.
Auch wenn Rieter weltweit lediglich über 18 Produktionsstandorte verfügt und Zahlungsströme in wenigen Währungen auftreten, bilden die externen und internen Transaktionen eine komplexe Struktur, die es zu meistern gilt: Denn fast jede Rieter-Gesellschaft erzielt Umsätze mit den anderen Rieter-Gesellschaften, sodass fast alle Kombinationsmöglichkeiten an Währungspaaren zwischen den Standorten vorkommen können.
Eine zusätzliche Herausforderung: Durch die sehr unterschiedliche Geschäftstätigkeit in den einzelnen Geschäftsbereichen treten die Fremdwährungs-Exposures in unterschiedlichen Formen auf. Während Rieter den Großteil des Umsatzes mit kundenspezifischen Projekten erzielt, gibt es in der Komponentensparte weiterhin Seriengeschäfte.
Das zu sichernde Fremdwährungs-Risiko im Projektgeschäft beginnt bei Rieter mit dem Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung. Die risikorelevanten Cashflows in Fremdwährung können vollständig aus diversen Modulen von SAP gewonnen werden. Für die Feststellung der Risiken aus dem Komponentengeschäft dienen die Daten aus der währungsdifferenzierten Liquiditätsplanung in TIP, die aus verschiedenen ERPs erhoben werden, als Aufsatzpunkt. Die durchschnittliche DSO und DPO sowie der Order Backlog bestimmen den zu betrachtenden Zeithorizont.
Die neue Fremdwährungsstrategie startete Rieter im November 2015 mit der Ausarbeitung einer Fremdwährungs-Policy, die – grob gesagt – darin besteht, Projekt-Cashflows ab einer genau festgelegten Höhe zu sichern, Serien-Cashflows hingegen mit einer bestimmten Hedge Ratio für die folgenden drei Monate. Ab Januar 2016 wurde damit begonnen, die Strategie mit „Bordmitteln“, also noch ohne Systemunterstützung, umzusetzen. Die Absicherungen auch noch bilanziell nach IFRS 9 aufzubereiten, erwies sich aber, wie eingangs erwähnt, als zu aufwendig und war manuell und mit dem kleinen Treasury-Team nicht zu realisieren. Ein Tool, das die manuellen Schritte von der Risikobewertung über die Effektivitätsberechnung bis hin zum Reporting managen kann, war gefragt.
Im September war der Entschluss gefasst, TIP als Treasury-Middleware für Risikoidentifikation und -quantifizierung zu nutzen. Die Realisierung erfolgte in drei Schritten: Bis Dezember 2016 setzte das Treasury-Team Projekt-Hedging inklusive IFRS-9-Berichte um; bis April 2017 richtete es in einer zweiten Phase die währungsdifferenzierte Liquiditätsplanung in TIP ein, die bis dahin im bestehenden Treasury-Management-System durchgeführt worden war, und im letzten Schritt erfolgte dann die Automatisierung und Integration sämtlicher involvierter Systeme.
Im Group Treasury werden zur Risikosteuerung laut Policy nun mindestens einmal im Monat folgende Schritte durchgeführt:
1. Riskikoidentifikation
2. Risikobewertung und -quantifizierung
3. Risikoplanung und -steuerung
4. Risikocontrolling und -kommunikation
FX-Risiko automatisch berechnen, Sicherungsgeschäfte vorschlagen und melden
TIP übernimmt aus dem ERP-System die relevanten Daten abzusichernder Projekte. Der Benutzer bestätigt die Cashflows und die damit verbundene Risikoidentifikation. TIP berechnet Hedge-Vorschläge und leitet diese nach Freigabe an die Handelsplattform weiter. Gleichzeitig hält TIP fest, welcher Cashflow zu welcher Transaktion gehört, sodass diese Information mit der Abschlussbestätigung automatisch Eingang in das Reporting findet.
TIP übernimmt die relevanten Projektdaten aus dem ERP-System, bereitet diese automatisch auf und übergibt sie – nachdem die dazu berechtigten Nutzer die Freigaben nach festgelegten Schritten erteilt haben – an eine elektronische Handelsplattform zur Absicherung.
Was so einfach klingt, ist ein Quantensprung in der Automatisierung von FX-Hedging samt bilanzieller Darstellung. Denn nun übernimmt das Tool fast alle Aufgaben, die vorher manuell durchgeführt wurden, und ermöglicht, auch den IFRS-Reporting-Anforderungen automatisiert und in einem ganz anderen Ausmaß nachzukommen.
Der Prozess im Detail: Die Projektdaten aus dem ERP-System werden in TIP durch einen Workflow geschickt. Zuerst bestätigt der berechtigte User in der Tochtergesellschaft die eingespielten Projekte und Cashflows sowie den Hedge-Typ. TIP stellt die bestätigten Projekt-Cashflows den bereits bestehenden Derivaten gegenüber und schlägt auf Basis einer vordefinierten (und ebenso jederzeit änderbaren) Hedge-Ratio neue Sicherungsgeschäfte vor. Die Sicherungsvorschläge berücksichtigen dabei nicht nur die bereits gesicherten Beträge und die Ziel-Hedge-Ratio, sondern tragen – auf einer komplexen Logik basierend – auch der Tatsache Rechnung, dass es im Projektgeschäft möglicherweise zu zeitlichen Verschiebungen kommt. So sieht ein Sicherungsvorschlag in TIP aus:
TIP gleicht ab, welche zusätzlichen Hedges zu den bestehenden Sicherungen notwendig sind, um die Hedge-Ratio gemäß der internen Hedging Policy einzuhalten, und schlägt entsprechende Geschäfte vor. In diesem (fiktiven) Beispiel empfiehlt das System zwei Termingeschäfte, um Outflows in Tschechischen Kronen abzusichern. Einmal erstellt, können die Hedge-Vorschläge durch den Benutzer angenommen oder jederzeit geändert werden. Alle Änderungen werden protokolliert und nur dann im System akzeptiert, wenn der Benutzer eine Begründung für die Änderung angibt.
Die bilanzielle Darstellung, das heißt der Hedge-Typ, bestimmt sich über von Rieter definierte Mindestbeträge (auch pro Projekt und Cashflow einstellbar). TIP kategorisiert Cashflows dementsprechend in „No Hedge“ (Betrag zu gering, keine Absicherung), „Standard-Hedge“ (Absicherung, jedoch keine bilanzielle Hedge-Accounting-Darstellung, weil zu niedrige Auswirkung in der GuV) oder „IFRS-9-Hedge“ (Absicherung von großen Cashflows ab einem bestimmten Schwellenwert).
Die festgelegten Hedging-Ratios und Mindestbeträge lassen sich direkt im System ändern, wenn sich die Risikostrategie ändern sollte.
Nach Freigabe durch einen zweiten Benutzer der jeweiligen Gesellschaft und der zentralen Freigabe durch Treasury übergibt TIP die in den Sicherungsvorschlägen erstellten Derivate an die elektronische Handelsplattform. In diesem Schritt wird bereits vollautomatisiert eine eindeutige Zuordnung der gehandelten Geschäfte zum „Hedged Item“ hergestellt, die im gesamten systemübergreifenden Sicherungskreislauf erhalten bleibt – und das automatisierte IFRS-Reporting in TIP erst ermöglichen.
Durch die eindeutige Zuordnung von Sicherungsgeschä!en zu den Grundgeschäften benötigt Rieter für einen Quartals- oder Jahresabschluss jetzt nicht mehr Zeit als für einen Monatsabschluss. Der Bericht weist alles aus, wofür sich Buchhalter, Treasurer und Wirtschaftsprüfer interessieren: Sämtliche relevanten Buchungssätze für das Accounting, die Hedge-Ratios zu den einzelnen Projekten, die Effektivität der IFRS-9-Hedges und die Hedge-Dokumentation. TIP ermittelt eindeutig, welche Anteile der Marktwertänderung der Sicherungstransaktionen in das Eigenkapital oder direkt in die GuV gebucht werden. Zu Kontrollzwecken enthält der Bericht die Details zur gesamten Historie eines Cashflows samt zugehörigen Absicherungen und stellt so sicher, dass auch der Wirtschaftsprüfer den vollen Durchblick hat.
Dieser hohe Grad an Automatisierung im FX-Management erlaubt es Rieter, neben den großen Projekten mittlerweile auch solche mit weit geringerem Exposure abzusichern, da sich der Zeitaufwand rund um den Absicherungsvorgang auf ein Minimum reduziert hat. Das Resultat: ein deutlich reduziertes Gesamtrisiko aus Währungsschwankungen. Auch die nächste Maßnahme steht schon fest. So will Rieter die Exposures aus dem Komponenten-Massengeschäft mit Seriencharakter auf Basis der Liquiditätsplanungsdaten automatisch absichern. In diesem Zusammenhang hat Rieter mit TIPCO zusammen eine Applikation geschaffen, mit der interne Devisengeschäfte standardisiert an das Treasury übermittelt werden können, um diese anschließend automatisch an die elektronische Handelsplattform senden und handeln zu können.
Rieter ist der weltweit führende Anbieter von Systemen für die Kurzstapelfaser-Spinnerei. Das Unternehmen mit Sitz in Winterthur (Schweiz) entwickelt und fertigt Maschinen, Systeme und Komponenten für die Verarbeitung von Naturfasern und synthetischen Fasern sowie deren Mischungen zu Garnen. Rieter ist der einzige Anbieter weltweit, der sowohl die Prozesse für Spinnereivorbereitung als auch sämtliche vier am Markt etablierten Endspinnverfahren
abdeckt. Das Unternehmen ist mit 18 Produktionsstandorten in zehn Ländern vertreten und beschäftigt weltweit rund 5.230 Mitarbeitende, davon etwa 20 % in der Schweiz. Rieter ist an der SIX Swiss Exchange unter dem Tickersymbol RIEN kotiert.
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